Dennoch genoss Ptolemäus bei vielen Wissenschaftlern, insbesondere bei Gerhard Mercator, noch eine hohe Autorität, weil sich seine Karten über anderthalb Jahrtausende bewährt hatten. Wenn er einen Widerspruch zwischen Ptolemäus und Berichten von neuen Entdeckungen bemerkte, den er sich nicht erklären konnte, verließ er sich auf Ptolemäus. Mercators Wertschätzung für seinen antiken Kollegen erkennt man auch daran, dass er dessen Karten behutsam in Details korrigierte und im Jahr 1578 herausbrachte. Er gab seiner Edition den Namen Tabulae geographicae Cl. Ptolemaei ad mentem auctoris restitutis ac emendatis, was so viel bedeutet wie Geografische Karten nach Claudius Ptolemäus, gezeichnet im Geiste des Autors und ergänzt durch Gerhard Mercator. Obwohl Mercator sich mit seiner Weltkarte von 1569 schon weit vom Weltbild des Ptolemäus entfernt hatte und somit bewies, dass er es nicht mehr für aktuell hielt, maß er ihm doch weiterhin einen hohen Wert bei. An den Universitäten las man zu Mercators Zeit viele Schriften griechischer und römischer Autoren. Möglicherweise sollten die Tabulae den Studenten dabei helfen, die Perspektive der antiken Autoren einzunehmen.
Die Karten des Ptolemäus mit den neuen Erkenntnissen in Einklang zu bringen, war nicht immer leicht: Je weiter man sich in Ptolemäus‘ Weltbild vom Mittelmeerraum entfernt, desto stärker weicht die Form der Länder von der Realität ab. Seine Darstellung von Indien zum Beispiel zeigt ein etwa rautenförmiges Land, das im Norden von den Flüssen Indus und Ganges begrenzt wird und im Süden eine spitze Halbinsel hat. Südlich vor der Küste liegt eine große Insel. Die Grundzüge sind also korrekt, nur die Größenverhältnisse weichen stark von unseren heutigen Karten ab.