„Der Kult des Automaten – Eine postkapitalistische Begräbnisstätte?“
Auszug aus der fiktiven archäologischen Studie
von Harald Küst
Einleitung
Im Jahr 4823 nach unserer Zeitrechnung entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen in den Ruinen einer alten urbanen Metropole (vermutlich Duisburg/Dispargum) ein bemerkenswert gut erhaltenes Artefakt.
Dieses Objekt, von den Forschern als „Mammonisches Heiligtum“ bezeichnet, wurde zunächst als Begräbnisstätte gedeutet.
Die Anordnung der Funde und die auffälligen Beigaben lassen keinen Zweifel daran, dass hier einem geheimnisvollen Kult gehuldigt wurde.
Beschreibung des Hauptfundes
Das zentrale Artefakt – ein aufrecht stehender, quaderförmiger Apparat aus Metall und Glas – wurde von den Archäologen als „Geldopferaltar“ interpretiert.
Das Objekt ist mit Schlitzen und leuchtenden Symbolen versehen, die wahrscheinlich der Kommunikation mit einer höheren Macht dienten.
Vermutlich richtete sich die Anbetung an die mystische Entität „Mammon“, die als Personifikation des Reichtums galt.
Beigaben und rituelle Bedeutung
Rund um das Heiligtum fanden sich zahlreiche kleine rechteckige Objekte aus Plastik und Metall, die als „Karten des Zugangs“ identifiziert wurden.
Diese Karten trugen kryptische Symbole und Zahlenfolgen – vermutlich Codes, die eine spirituelle Verbindung ermöglichten.
Besonders faszinierend war die Entdeckung eines kleinen rechteckigen Steins, der Druckspuren aufwies.
Die Forscher glauben, dass dieser als sogenannte „PIN-Tafel“ diente, ein magisches Werkzeug zur Übermittlung heiliger Zahlenkombinationen.
Die Inschrift deutet darauf hin, dass die Gläubigen diese Kombination auswendig lernten und durch die Eingabe in den Altar ihren spirituellen Tribut entrichteten.
Ritualablauf und Symbolik
Die Archäologen rekonstruieren den Ablauf der Rituale wie folgt:
- Annäherung: Der Gläubige trat mit Ehrfurcht vor das Heiligtum.
- Einführung der Opfergabe: Die „Karte des Zugangs“ wurde in den Hauptschlitz eingeführt – ein symbolischer Akt der Hingabe.
- Kommunikation mit Mammon: Über die PIN-Tafel wurden Zahlen eingetippt, vermutlich ein Gebet oder eine Anrufung.
- Empfang der Segnungen: Aus einer unteren Öffnung wurde eine mysteriöse Substanz (als „Bar-Geld“ rekonstruiert) ausgegeben, die den Gläubigen Glück und Wohlstand versprach.
Architektonischer Kontext
Das „Mammonische Heiligtum“ war häufig in Tempeln (genannt „Banken“) eingebettet, wo sich Gläubige versammelten.
Die Anordnung der Heiligtümer in langen Reihen deutet darauf hin, dass es sich um einen weit verbreiteten und gesellschaftlich zentralen Kult handelte.
Theologische Interpretation
Die Forscher spekulieren, dass der Geldautomat ein Sinnbild für das Jenseits der Reichtümer war.
Der Altar fungierte als Schnittstelle zwischen den sterblichen Gläubigen und dem ewigen Mammon, dem Gott des Geldes.
Karten und PIN waren die heiligen Schlüssel, die den Zugang zur „Schatzkammer des Himmels“ ermöglichten.
Abschlussbemerkung
Wie in Macaulays „Motel der Mysterien“ zeigt dieser Fund, wie künftige Generationen unsere Gegenstände des Alltags falsch deuten könnten.
Der Geldautomat als Begräbnisstätte, Karten und PIN als Kultgegenstände – eine faszinierende Fehlinterpretation, die uns zum Nachdenken anregt, wie wir selbst unsere Zeit repräsentieren.
Inspiriert durch
David Macaulay: Motel der Mysterien. Mainz 2018.