„Weiberarsch“ und „Steigerstock“ – Bergmannssprache im Ruhrgebiet
Die Kohlewand im Stadtmuseum mit echter Kohle ist nicht nur ein Zeugnis der Montanstadt, sondern auch ein erster Einstieg in die Bergmannssprache. Es sind zwei Objekte, die bei Führungen besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
„Weiberarsch“
Da ist zum einen der „Weiberarsch“, der korrekterweise „Pannschüppe“ heißt. Der doppeldeutige Begriff bezeichnet eine herzförmige Schaufel mit kurzem Stiel und großer gewölbter Fläche, die von den Bergleuten abschätzig als „Weiberarsch“ bezeichnet wurde. Er wurde zum manuellen „Schüppen“ von Kohle oder Abraum verwendet.
„Steigerstock“ der Zeche Beeckerwerth.
Jeder Steiger war für ein Revier verantwortlich. In den 1950er Jahren unterstanden jedem Steiger etwa 200 Bergleute. Neben der Überwachung des Arbeitsablaufs war er auch für die Auszahlung des „Gedinges“ zuständig, der Bezahlung nach Leistung. Das hörte sich in der Kumpelsprache so an: „Männer, wenn wir nicht richtig ranklotzen, werden wir hier bis Schichtende nich’ fetich.“ Mit einem genau einen Meter langen Stock maß der Steiger bei Schichtbeginn für jeden Bergmann die Meter Kohle ab, die er zu fördern hatte. Mit dem Hammer am Ende des Stocks klopfte er Stichproben ab. Der Leistungslohn war Ansporn und harte Arbeit zugleich. Ordentlich „Ranklotzen“ bedeutete, sich richtig ins Zeug legen. Work-life-balance war für diese Generation science-fiction.
„Vor Ort“ und „Glück Auf“ – Bergmannssprache im Alltag
Auch wenn in Duisburg immer mehr Spuren des Bergbaus verschwinden – in unserem Sprachgebrauch ist er nach wie vor präsent. Dafür gibt es viele Beispiele. Ursprünglich aus der Bergmannssprache stammend, bezeichnet „vor Ort“ den Endpunkt einer Abbaustätte, an dem die Bergleute tätig waren. Der Ausdruck drückt kurz und prägnant aus, dass sich der Berichterstatter direkt am Ort des Geschehens befindet.
Abweichende oder neue Wortbedeutungen sind in der Sprachentwicklung immer wieder zu beobachten, weil sie in der heutigen Umgangssprache eine ganz andere Bedeutung bekommen haben. Das gilt auch für „Glück Auf“. Der Bergmannsgruß stammt ursprünglich aus dem Erzgebirge und ist bereits im 16. belegt. Später wurde er im Steinkohlenbergbau übernommen. Er drückt sowohl den Wunsch nach sich auftuenden Erzgängen als auch nach einer sicheren Rückkehr aus. Der Gruß – ursprünglich Symbol und verbindendes Element aller Bergleute – gilt als Identifikation mit der Bergbautradition an sich. Er wird gerne in politischen Reden verwendet, um die Verbundenheit mit dem Ruhrgebiet zu demonstrieren.
Viele dieser oft bildhaften Ausdrücke ersetzen längere Sätze und haben die Umgangssprache nachhaltig geprägt. Sprachwissenschaftler klassifizieren sie als Regiolekt, der sich im späten 19. Jahrhundert bildete. Er vereinigt Einflüsse der alten niederfränkischen und niederdeutschen Mundarten sowie kleinere Anleihen aus slawischen Sprachen und dem Rotwelschen. Vereinzelt finden sich auch Elemente der ripuarischen und limburgischen Sprachen. Der Wortschatz der Bergmannssprache umfasst vermutlich über 10.000 Wörter.
Harald Küst
Bilder
1) Bundesarchiv, B 145 Bild-F009345-0007 / Steiner, Egon / CC-BY-SA 3.0
2) CC-0
3) krischerfotografie
Tipp
Kohle und Stahl haben Duisburg einst geprägt.
Harald Küst stellt u. a. die Zechen- und Stahlbarone des Ruhrgebiets im Rahmen einer Führung im Kultur- und Stadthistorischen Museum am Sonntag, 30.6.2024 um 15 Uhr vor.