Der vergessene Krekelentag
Frauen warnten am 12. März 1445 vor einem Angriff auf Duisburg. Dieser konnte dadurch rechtzeitig abgewehrt werden. Der Krekelentag erinnert daran.
Duisburger Geschichten und Geschichte. Teil 2.
Vor dem Theater am Marientor fand einst ein bedeutsames historisches Ereignis statt. Innerhalb der Duisburger Stadtmauern gab es bis um die Jahrhundertwende im März jeden Jahres einen Festumzug, der nicht nur die Bürger, sondern auch die Duisburger Kinder erfreute. Es gab nämlich Krekelinge, so nannte man damals kleine süße Brezeln. Dahinter steckte eine spannende Geschichte, die Menschen zu allen Zeiten bewegte: Machtstreben, Kriege, mutige Frauen, Wehrhaftigkeit, aber auch die Sehnsucht nach einem sicheren Leben in Frieden.
Begeben wir uns auf eine Zeitreise ins 15. Jahrhundert. Machtkämpfe tobten auf der großen politischen Bühne. Der korrupte Kölner Erzbischof Dietrich hatte in seinem Herrschaftsgebiet die Steuern massiv erhöht. Die Hansestadt Soest hatte daraufhin dem Kölner Erzbischof die Gefolgschaft aufgekündigt und unterstellte sich gleichzeitig der Herrschaft des Johann von Kleve. Mit dieser Entscheidung wurde das alte Duisburg, das zum Herzogtum Kleve gehörte, nun vollständig in den gefährlichen Konflikt hineingezogen. Unsere Stadt geriet ins Visier des Kölner Erzbischofs. Der Machtpolitiker plante einen Überfall auf Duisburg, um seinem Klever Kontrahenten zu schaden.
Im Jahre 1445 führte der Erzbischof von Köln in der stürmischen Nacht auf St. Gregorius-Tag ein bewaffnetes Heer heran und rückte mit ihm gegen die Stadt vor, um sie einzunehmen. Hinweise auf den gefährlichen Angriff finden sich bereits bei Johannes Corputius, der 1566 den Duisburger Stadtplan erstellte, so der Historiker Dr. Jonas Springer. Angeblich durch das Geschrei von Vögeln aufgeschreckt, entdeckten die Wächter, die auf dem Mühlenturm in der Nähe der Marienkirche postiert waren, die Angreifer. Die humanistischen Gelehrten um Cornelius Wouters, Georg Cassander und Corputius bedienten sich hierbei der Analogie zur Eroberung Roms im 4. Jahrhundert vor Christus, in denen Vögel (Gänse) die schlafenden Römer gewarnt haben sollen. Der Renaissance geschuldet griffen die Humanisten gerne auf antike Vorstellungen zurück.
Aber entspricht die Gänsegeschichte den Fakten? Dr. Jonas Springer hat zur Prüfung die Stadtrechnungen von 1445 im Stadtarchiv Duisburg herangezogen. Dort fand er den Eintrag: Item vijff vrouwen den oybergh besien doe die viande s’nachts ander stat geweist hadt samen vj albus. Danach haben fünf „Wartfrauen“ 6 Albus als Belohnung erhalten, da sie frühzeitig in der Nacht die Angreifer entdeckten und die Bürger warnen konnten. „Es waren also nicht die Gänse, sondern aufmerksame Frauen, die noch gerade rechtzeitig vor dem Angriff des Kölner warnten“, so Springer.
Zur Erinnerung an den siegreich abgewehrten Angriff fand jeweils am 12. März im alten Duisburg eine feierliche Gedenkprozession innerhalb der Stadtmauern statt. Der Rat der Stadt spendete allen Armen einen Hering und einen Wecken, so der ehemalige Archivdirektor Günter von Roden. Diese ursprüngliche Spende erfuhr im Laufe der Zeit eine Umwandlung: Duisburger Kinder erhielten kleine, aus Mehl gebackene Kuchen oder Brezeln geschenkt, die man Krekelinge nannte. So entstand die schöne Tradition, die im kollektiven Gedächtnis der Duisburger wiederaufleben soll. Dr. Jonas Springer: „Die Duisburger Geschichtsinitiative Mercators Nachbarn plant derzeit eine Theaterszene zur Geschichte des Krekelentags.
Von Harald Küst, Rheinische Post vom 6.März 2023
Quellen:
- Margret Mihm und Arend Mihm: Mittelalterliche Stadtrechnungen im historischen Prozess. Die älteste Duisburger Überlieferung (1348-1449), Band 1: Untersuchungen und Texte, Duisburg 2007.
- Günter v. Roden, Geschichte der Stadt Duisburg